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The Underground Youth: Décollage (Review)

Artist:

The Underground Youth

The Underground Youth: Décollage
Album:

Décollage

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Trip Hop, Alternative Rock, Post Punk, Gothic Folk Noir

Label: Fuzz Club Records
Spieldauer: 37:54
Erschienen: 04.04.2025
Website: [Link]

„'Décollage' ist ein Trip-Hop-beeinflusster Soundtrack zu einer Sammlung von Texten, die von Anbetung, Abstammung, Originalität, Halluzinationen von Revolution und der Hoffnung handeln, dass aus der Asche des Schreckens, der in unserer Welt existiert, etwas Besseres entstehen kann.“ (Craig Dyer)


Mit „Nostalgia's Glass“, ihrem damals bereits 11. Album, verstanden es die Berliner Underground-Post-Punker THE UNDERGROUND YOUTH schon vor zwei Jahren zu begeistern, weil sie eine Art Seelen-Striptease zwischen Post Punk und schwer psychedelischen – an einen SYD BARRETT erinnernden – Schlagseiten musikalisch offenbarten, wofür vorrangig der in Blackpool geborene Musiker, Autor und Bandkopf Craig Dyer verantwortlich war. Mit „Décollage“ setzen die experimentierenden und einfallsreichen Musiker hinter THE UNDERGROUND YOUTH die schaurig-finsteren Ansätze von „Nostalgia's Glass“ fort und basteln daraus tatsächlich dem Albumtitel entsprechend, eine schwarzmusikalische wie textliche Klang-Collage, welche fast mythische Züge annimmt und sich gruseligen Themen und Personen, aber auch Träumern und Visionen, aus Vergangenheit und Gegenwart widmet.


Bedrohlich langsam und finster führt „You (The Feral Human Thunderstorm)“ in das Album ein – und will einen mit all seiner Düsternis packen. Nur so richtig gelingt das nicht. Denn wenn man nicht in Weltuntergangsstimmung ist – und genau die verbreitet bereits der erste Song – dann zündet „Décollage“ nicht. Auch weil einen genau diese Stimmung, die sich hinzieht wie ein schwarzer, immer länger werdender Kaugummi, immer mehr niederdrückt. Dass der Song dann auch noch „One Of The Dreamers“ heißt, lässt wirklich nur Finsteres erahnen.

Das Album klingt geisterhaft und gespenstisch.
Man sieht diese dahingeisternden Wesen regelrecht zwischen den Boxen gemächlich hin- und herhuschen, während sie einen mit ihren feurigen Augen unter ihrem schwarzen Tuch anstarren. Man bekommt tatsächlich Angst. Wenn das die Absicht von THE UNDERGROUND YOUTH war, dann ist ihnen dieses Unterfangen bestens gelungen.

Nur dieser melancholische, bedrückende und horror-cineastische Minimalismus zündet nicht, selbst wenn die gespenstische Stimme von Craig Dyer einen immer wieder mit in das mysteriöse Universum eines Ian Curtis von JOY DIVISION oder in Richtung PRIMAL SCREAM zu führen scheint.


Wirklich verstehen und mögen wird man die Musik hinter „Décollage“ wohl nur, wenn man den Absichten und Worten ihres Bandkopfes Craig Dyer zu folgen imstande ist, der das Entstehen des Albums folgendermaßen beschreibt: „Ich baute Wände aus statisch aufgeladenen Hip-Hop-Drum-Samples, Schichten von Streicherarrangements im Stil von Lee Hazlewood sowie von Serge Gainsbourg inspirierten Mellotron-Melodien auf. Dann begann ich, diese schönen, chaotischen Wände aus Lärm abzureißen, um einen neuen Sound für THE UNDERGROUND YOUTH freizulegen.“


Der 'neue Sound' ist gewöhnungsbedürftig, um es mal vorsichtig auszudrücken. Mitunter hat man gar den Eindruck, das transparent-farbige Vinyl würde sich zu langsam auf dem Plattenteller drehen. Aber es ist ganz offensichtlich Absicht, diesen trägen, extrem langsamen Eindruck zu vermitteln. Einen Eindruck, der sich bereits aus dem Albumtitel ergibt, bei dem Dyer auf ein Verfahren der Bildenden Kunst zurückgreift: Die Decollage ist das genau Gegenteil einer Collage, bei der gerissene Bilder zu einem komplexen Kunstwerk zusammengeklebt werden – genau wie auf dem LP-Cover zu sehen. Nun aber werden diese Bilder wieder vom Original entfernt, mitunter gar zerstört, um am Ende ein neues, minimalistisches Werk zu erstellen und das andere zerrissen erscheinen zu lassen. Genau diese Absicht verfolgen THE UNDERGROUND YOUTH mit den Klängen und Tönen und Stimmungen, die oft von finsteren Streichern dominiert werden, auf „Décollage“. Ein zerfledderter Klang-Minimalismus, der ansatzweise zerstörerisch erscheint.


Deutlich hoffnungsvoller und lebendiger klingt dagegen die zweite LP-Seite.
Hier ziehen etwas flottere, aber trotzdem noch immer stark gebremste Rhythmen ein. Lo-Fi-Psychedelia trifft weiterhin auf Gothic-Folk-Noir, nimmt einen aber endlich mehr mit, auch wenn es einen weiterhin in die Tiefe zieht, in der einen nunmehr sphärische, weibliche Gesänge erwarten. Auch die Texte untermalen diesen Eindruck, sind geheimnisvoll, lyrisch und schwarzmalerisch.
„Father“ lässt einen durchaus an NICK CAVE denken.
Auch sonst geht es um Unterwerfung und permanent scheint wie bei einem E.A. Poe oder Kafka das poetische Damokles-Schwert über einem zu schweben. Ja, es wird sogar im letzten Song, mit dem eigentlich optimistisch erscheinenden Titel „Believe In Something“ gezückt: „A Damascus steel sword hangs over you, hangs over us all, Damocles he escapes, his footsteps echo down the hall...“
Optimismus jedenfalls kling anders.
Wer sich also in seinem Leid und dem Leiden dieser Welt so richtig suhlen und fallen lassen will, der wird mit „Décollage“ bestens bedient.
Wer noch immer nach den Sonnenstrahlen am sich immer stärker verfinsternden Himmel sucht, der wird diesen mithilfe von „Décollage“ bestimmt nicht finden.


FAZIT: Ist „Décollage“, das 12. Studio-Album von THE UNDERGROUND YOUTH, nun nur unterschwellig bedrohlich oder schon extrem offensichtlich? Eher offensichtlich! Das Album klingt wie eine erwartungsfrohe, aber zugleich angsteinflößende Geisterbahn-Fahrt, die über unsere Ohren mitten hinein in die finstersten Abgründe unserer Seele saust – und zwar von Anfang bis Ende. Minimalistische und psychedelische Klänge voller Streicher, Angst verbreitenden Texten und der tiefen, düsteren Stimme eines Craig Dyer begleiten einen hierbei an den Abgrund, in den man hineinblickt und nur ein schwarzes Loch sieht. Lässt man sich fallen? Oder genießt man doch besser, dass einem die Chance offensteht, wieder umzukehren? Folk Noir und dunkler Trip Hop mit breitwandigen Streichern der besonders finsteren, aber irgendwie auch gefangennehmenden Sorte.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 77x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 9 von 15 Punkten [?]
9 Punkte
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Tracklist:
  • Seite A (17:47):
  • You (The Feral Human Thunderstorm) (5:07)
  • One Of The Dreamers (4:41)
  • I Was There (4:36)
  • From The Ashes Of Our Age (3:23)
  • Seite B (20:07):
  • Father (4:57)
  • Calliope (4:26)
  • Your Beloved Hollywood (4:20)
  • Believe In Something (6:24)

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